Europas Grenzen – von der Meerenge Gibraltars bis an die Klippen des Nordkaps, vom Bosporus bis in die schottischen Highlands: Wo immer man die Sehenswürdigkeiten des Kontinents bewundert, ein blauer Maass-Bus ist bestimmt schon einmal dagewesen. Seit einem Jahrhundert ist das Cuxhavener Familienunternehmen mit den Straßen der Region verwurzelt, aber in ganz Europa zu Hause.
Wilhelm Maass gründet sein Unternehmen ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Nicht nur die in der Stadt ansässige kaiserliche Marine ist infolge der Niederlage, unsinnigen Auslaufbefehlen und dann dem Pulverdampf der Revolution weggewischt worden, auch der städtischen Straßenbahn (im Volksmund „Kanonenbahn“ genannt), die im Juli 1914 noch 28 Tage verkehrt hatte, ist keine Zukunft beschieden. Dieses Vakuum im Stadtverkehr können zunächst nur die treuen Pferdekutschen schließen. Im Zuge der neuen – leider nur vorläufigen – politischen Stabilität, meldet Maass sein Gewerbe am 9. Dezember 1919 an. Fortan stehen seine Kutschen insbesondere vor dem noch jungen Cuxhavener Kopfbahnhof, um die Passagiere in die Innenstadt und in die Kurgebiete zu befördern.
Dabei bleibt es nicht lange: Die Motorisierung der gesamten Gesellschaft ist in vollem Gange. 1927 erfolgt die Etablierung eines festen Pendelverkehrs zwischen Cuxhaven und Dorum, der zwei Jahre später von der noch zuständigen Hamburger Polizeibehörde konzessioniert wird. 1936 wird der Linienweg nach Wesermünde (ins heutige Bremerhaven) verlängert. Zum Einsatz kommt ein Omnibus des britischen Nutzfahrzeugherstellers Leyland. Dieser kann bereits mit 24 Plätzen bei 55 PS aufwarten. Die stolze Summe von 16.500 Reichsmark muss Maass dafür hinblättern. Die Fahrpreise hingegen bleiben aus heutiger Sicht moderat: Der Mindestfahrpreis beträgt 20 Pfennige, nach Nordholz zahlt der Fahrgast 80 Pfennige. In den Kriegsjahren werden Fahrzeuge für den Frontdienst eingezogen, mit Tarnfarbe versehen und ihre Scheinwerfer abgedunkelt. Der „Totalen Kriegswirtschaft“ kann sich kaum ein Unternehmen entziehen.
Die Stunde Null: Im Vergleich zu den Reichstrümmerwüsten deutscher Städte ist der Zerstörungsgrad in Cuxhaven vergleichsweise gering. Bald sind die Straßen wieder frei, so dass schon 1946 mit dem Wiederaufbau des Unternehmens begonnen werden kann. Zügig genehmigen die Besatzungsbehörden den Pendelverkehr zwischen der Stadt und Nordholz als Linie 1 neu, was den Menschen wieder ein Stück Normalität in ihren beschwerlichen Alltag bringt. Noch heute bildet diese Verbindung (Linie 51) das Herzstück des lokalen Nahverkehrsangebots.
Wie schon in der Vorkriegszeit stellt die Organisation von Klassenfahrten und Ausflügen für Gruppen und Vereine ein weiteres Standbein des Unternehmens dar. Kaum ein Cuxhavener Schulkind, das nicht einmal mit einem Maass-Bus erste Kilometer zwischen sich und seinem Elternhaus gebracht hat. Die Städtepartnerschaften mit den einstigen Kriegsgegnern in Vannes und Penzance führen zu stetigen Besuchen und einem vitalen kulturellen Austausch, welcher ein neues europäisches Gemeinschaftsgefühl weckt. Wilhelm Maass prägt für diese Reisebusse einen neuen Namen, der in Deutschland und auf dem Kontinent bekannter werden wird als der Unternehmensname selbst: die Sturmvögel sind fortan überall ein Stück Cuxhaven in Europa und Botschafter der Stadt.
Nach den Entbehrungen der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit stellt sich ein bescheidener Wohlstand ein. Das Fernweh der Deutschen nach dem Süden trifft auf einen neu gefüllten Geldbeutel. Wer sich den einsamen Weg über die Alpen im VW-Käfer dennoch nicht leisten kann oder will, für den ist der Bus ist die erste Wahl. Die ungeahnte Mobilität und diese dennoch in einer Gemeinschaft zu erleben sind entscheidende Punkte, eine Busreise zu buchen. Das Flugzeug wird noch auf Jahre für viele unerreichbar sein. Folglich ist dem Unternehmen ein enormes Wachstum beschieden: Während der Betrieb 1952 erst fünf Omnibusse besitzt, sind es zehn Jahre später bereits neun Fahrzeuge und zwei Personenanhänger. 1961 gibt das Unternehmen den ersten eigenen Reisekatalog heraus. In diesen Jahren erfolgt auch die Aufgabe des kleinen Betriebshofs in Döse und der Umzug an die Altenwalder Chaussee.
Die achtziger Jahre halten in vielerlei Hinsicht Höhepunkte der Firmengeschichte bereit: Mit 87 Beschäftigten und 40 Fahrzeugen werden nie wieder erreichte Rekordstände erreicht. Die Eröffnung eigener Reisebüros wie das in der Nordersteinstraße 10 künden von dieser Prosperität. Mit der österreichisch-ungarischen Grenzöffnung im Sommer 1989 und dem Fall der Berliner Mauer werden die historischen Verbindungen nach Mittel- und Osteuropa plötzlich wieder erfahrbar: „Nun wächst zusammen, was zusammen gehört!“ In dieser Wendezeit unterstützen auch elf Maass-Linienbusse im Auftrag der Berliner Verkehrsbetriebe flugs eingerichtete neue Linien zwischen den beiden Stadthälften; Haltestelle Reichstag. Zu dieser Zeit lenkt schon seit vielen Jahren der Sohn des Betriebsgründers, Uwe Maass, die Geschicke des Unternehmens.
Weitere Großaufträge wie im Jahr 2000 die Teilhabe am Shuttle-Verkehr auf dem Gelände der Weltausstellung in Hannover oder die Etablierung des CuxBus-Express` ins Ruhrgebiet, nachdem das Bahnmonopol für innerdeutsche Fernlinien 2013 gefallen ist, sind nur die jüngsten Stationen dieses Cuxhavener Traditionsbetriebs, der 2019 auf ein Jahrhundert Firmengeschichte zurückblicken kann.